Das Handelsblatt titelt heute "Wie Wikipedia Markttheorien widerlegt" (via @carta_). Dieser Artikel ist aus meiner Sicht einfach nur ärgerlich:
- Der Artikel beschreibt Trittbrettfahrertum als den Gebrauch eines Angebots, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Soweit, so gut.
- Ist Wikipedia ein öffentliches Gut? Wenn man sich die Definition bei Wikipedia anschaut, komme ich zum Schluss: Nein.
Warum? Es liegt zwar Nicht-Rivalität vor, d.h. wenn ich Wikipedia nutze, muss ich nicht mit anderen darum streiten, wir alle können Wikipedia gleichzeitig nutzen. Es liegt aber meiner Ansicht nach keine Nicht-Ausschließbarkeit vor.
Wie der Artikel selbst eindrucksvoll beschreibt, kann man technisch eine große Zahl von Nutzern ausschließen.Millionen Internetnutzer waren plötzlich ausgeschlossen
aus "Wie Wikipedia Markttheorien widerlegt", 24.08.2010
Könnte sogar auch der Betreiber von Wikipedia selbst seinen Provider anweisen, bestimmte IP-Nummern vom Gebrauch der Seiten zu sperren? Nicht-Ausschließbarkeit setzt voraus, das dies nicht möglich ist.
Wikipedia will wohl niemanden ausschließen, aber macht dieser Wille allein aus Wikipedia ein öffentliches Gut?
Wenn dann aber Wikipedia kein (reines) öffentliches Gut ist, kann dann Trittbrettfahrertum vorliegen? - In dem Artikel selbst steht doch:
Die Mitarbeit bei Wikipedia verschaffe den einzelnen Autoren Befriedigung – die Forscher sprechen dabei von "sozialem Nutzen". "Die schrumpfende Gruppengröße reduziert diesen Nutzen…".
aus "Wie Wikipedia Markttheorien widerlegt", 24.08.2010
Im Klartext heißt das für mich, die angeblichen Trittbrettfahrer erbringen sehr wohl eine Gegenleistung, sie stiften nämlich sozialen Nutzen.
- Kaum waren Millionen chinesische Leser weg, ging die Bereitschaft der nicht blockierten Autoren zum Schreiben zurück. Dieses Verhalten ist nicht zu erklären, wenn die Autoren alle nur aus reinem Altruismus schreiben würden, sondern nur damit, dass ihr persönlicher sozialer Nutzen nicht mehr im gleichen Maße befriedigt wurde wie vorher.
Was im Klartext heißt, die Autoren handeln sehr wohl aus egoistischen Gründen, nämlich aus Gründen der Nutzenmaximierung, der Maximierung ihres sozialen Nutzens. Und Nutzenmaximierung ist ein Kernelement der Wirtschaftswissenschaft.
Fazit: Der Artikel ist ärgerlich, weil er imho Sachverhalte falsch interpretiert und damit auch zu falschen Schlüssen kommt. Wikipedia ist sehr wohl und sogar sehr gut ökonomisch zu erklären, denn in der Wirtschaftswissenschaft geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern immer um Nutzenmaximierung. Je mehr Leser Wikipedia hat, desto größer der soziale Nutzen der Autoren und damit die Gegenleistung der "Trittbrettfahrer". Für einen Wirtschaftswissenschaftler spielen monetäre Werte keine Rolle, für einen Manager vielleicht schon. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. ^_~
Und dass Ökonomen von sozialen Verhaltensmustern sehr wohl eine Menge verstehen, beweisen wir Tag für Tag, wenn wir Produkte kaufen, die wir total süß oder cool finden, zum Leben aber in Wirklichkeit nicht brauchen.
Oder irre mich da? ^_~
P.S. Wenn dieser Artikel in einem Wald- Wiesenblatt stehen würde, okay. Aber im Handelsblatt???
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